Motorrad
6.9.2016
Der Förster hat nichts bemerkt. Gerade sind wir lautlos am Hochsitz vorbeigerast, hinein in die nächste Lichtung. Von dort durch die Bachrinne und weiter über den Weidehang hoch zur Berghütte. Eine Herde Rehe nimmt kaum Notiz, die Kühe glotzen doof wie immer.
Früher war das anders. 4-Takt-Radau im Wald brachte regelmäßig Ärger - wenn man nicht schnell genug war.
Die Zeiten ändern sich und auch die Fahrgewohnheiten. Vorbei ist es mit den ausgedehnten Fahrten in entlegensten Gegenden Vorpommmerns. Mit einer Reichweite von 60 Kilometern umkreist der Motorradfahrer der neuen Elektrowelt gerade mal die rettende Steckdose oder fährt gleich auf der offiziellen Cross-Strecke (Transport-Anhänger auf dem Parkplatz). Der Förster freut sich, die Grünen freuen sich, alle freuen sich - nur der Motorradfahrer, worüber kann der sich freuen?
Beim seinem E-Bike kann er sich über einige technische Vorteile freuen. Er kann zu Hause an der Steckdose tanken, hat keinen Ärger mehr mit Problemkomponenten wie Vergaser, Schaltgetriebe, Kupplung (die gibt's nicht mehr), bremst das Hinterrad jetzt mit links am Lenker, und beschleunigt ferrarimäßig in 2 Sekunden auf 50 km/h.
Außerdem fährt er jetzt lautlos die Abkürzung durch die Schrebergärten, überquert wie ein Blitz ohne Donner den Hof des Bauern, durchfährt Schafsherden ohne Protestgeblök - kurz, der elektrisierte Motorradfahrer ist ein Phantom. Das ist die neue Stärke. Nicht mehr der Donnerhall der Motoren erschreckt die Menschen (sie hassen Motorradfahrer), sondern das unvermutete, weil unangekündigte Auftauchen und Verschwinden der Elektroritter.
Für solch sportliches Verhalten stehen einige Elektro-Zweiräder zur Verfügung. Der Fahrzeughersteller Quantya (Schweiz) war einer der Ersten, der das Potential lautloser Motocross-Bikes erkannte und seit 2009 Quantya-Rennstrecken in ganz Europa in unmittelbarer Nähe von Wohngegenden einrichtete. So zum Beispiel den Quantya Park Catalunya, bei Avinguda Pau Casals 2, 08182 Sant Feliu de Codines (41.678299, 2.164793).
Geländespezialist KTM (Österreich) hält die Freeride E-SX für Offroad-Abenteurer bereit (siehe Bild ganz oben). 16kW Spitzenleistung, 42Nm Drehmoment, 108kg Gewicht, Powerpack in 80 Minuten aufgeladen, eine Stunde Fahrtzeit bei mäßiger Gangart. Ausreichend für einen weitläufigeren Ausflug in die Pampas, dennoch immer mit Blick auf den Batterie-Ladezustand.
Auf der Straße fährt der Elektrobike-Pionier ZERO (USA). Das stärkste Modell ZERO-S mit 50kW, 144Nm, Zahnriemen statt Kette wäre eine wahre Elektrorakete, wenn nicht das Gewicht von 205kg das Abheben behindern würde. Die Reichweite kommt an die 300 Kilometer heran. Dafür muss man aber 10 Stunden lang aufladen.
Die Kultschmiede Harley Davidson stellt mit der LiveWire ein E-Bike vor, das frühestens 2018 zu kaufen sein wird. Es ist leistungsmäßig mit der ZERO-S vergleichbar. Das volle Drehmoment schlägt beim Anfahren auf das Hinterrad durch, nichts für das Produkthaftungsland Amerika. Deshalb ist das Anfahren elektronisch abgeregelt und gleicht dem Anschieben eines voll beladenen Einkaufswagens. Während der Fahrt Gas, pardon Strom wegnehmen bremst das Vehikel ab und lädt dabei die Batterie. Harley Kunden würden allerdings den geliebten satten Motorensound vermissen. Deshalb ist ein künstliches Motorengeräusch eingebaut. Das E-Motorrad pfeift wie die Turbine eines startenden Flugzeugs. Nach einer Testfahrt merkte ein Kritiker an: "Die LiveWire fährt sich stocksteif, die Lenkachse wirkt wie festgeschraubt. Kaum, dass sich das Motorrad in eine Kurve bewegen oder in nennenswerte Schräglage kippen lässt. Erst recht sind Bremsmanöver in der Kurve eine heikle Angelegenheit. Möglich, dass das übereinander gestapelte Gewicht von Motor und Akku nah am Vorderrad schuld daran ist. Und sicher könnte es auch ein bisschen daran liegen, dass der Elektrobike-Pionier Harley-Davidson so überhaupt keine Erfahrungen mit sportlichen Motorrädern hat."
BMW hat bisher nur den Elektroroller C Evolution im Programm. Ein E-Bike ist nicht in Planung, eher noch ein kleinerer, preislich günstigerer Roller. Dennoch meint der Entwicklungschef Schaller: ""Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in ferner Zukunft E-Motorräder die Modelle mit Verbrennungsmotor einmal ersetzen könnten."
Leute, habt ihr das gehört? "In ferner Zukunft...". Was soll denn das heißen? Das kann doch ganz schnell gehen. Verbrennungsmotoren weden ganz einfach VERBOTEN. In Norwegen werden Fahrzeuge mit Verbrennunsgmotor ab dem Jahr 2025 nicht mehr zugelassen. Selbstverständlich wollen die Grünen das auch bei uns so haben.
Aber, es gibt doch die Alternativen. Eine Freeride fürs Gelände, eine ZERO für die Straße - wir spielen Phantom und haben Spaß dabei.
Quellen:
QUANTYA http://www.quantya.com/2017/products.html
KTM http://www.ktm.com/de/e-ride/freeride-e-xc-2016/
ZERO http://www.zeromotorcycles.com/de/
LiveWire http://www.welt.de/motor/fahrberichte-tests/article144564420/So-faehrt-sich-die-erste-elektrische-Harley-Davidson.html
Und nun ein Blick in die glückliche Elektrozukunft und was wir 15 mal nicht mehr tun müssen:
Nachtrag 20.3.2018
Vor zwei Jahren haben wir über den Harley Davidson E-Motorrad Prototypen LiveWire berichtet (siehe oben). Damals hieß es "geht 2018 in Serie". Nach neuen Meldungen soll die Serienfertigung nun im kommenden Jahr 2019 aufgenommen werden.
Technische Daten sind nur spärlich bekannt. Das Testbike, das kürzlich der Presse vorgestellt wurde, verfügte über einen Drei-Phasen-Wechselstrommotor, der eine Leistung von 74 PS erzeugte. Das gut 200 kg schwere Motorrad mit Zahnriemenantrieb wirkte eher schlank und sportlich, nicht so wuchtig wie die Harley-Klassiker.
Was wie immer fehlt, sind Angaben zur Reichweite.
Nach wie dominiert die Firma ZERO Motorcycles den Markt der e-Bikes. Harley Davidson muss nachziehen, um nicht Kunden zu verlieren. Doch wer weiß, vielleicht gibt es an dieser Stelle im nächsten Jahr einen weiteren Nachtrag: Serienreife 2020.