Bilder fälschen
21.7.2017
Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der Gemälde von Max Ernst, Franz Marc, Pablo Picasso, Henri Matisse und anderen so gekonnt kopierte, dass Kunstexperten lange Zeit an Originale glaubten, ist aufgrund seiner Arbeiten zwar kein Künstler, aber ein Fälscher par excellence. Natürlich hat er den Kunsthandel massiv geschädigt und wurde im Jahr 2011 deshalb zu 6 Jahren Haft verurteilt.
Nicht erstaunlich ist, dass Beltracchi beim gemeinen Volk ein gewisses Ansehen erlangt hat. Wer so meisterhaft malen kann, ist ein besonderer Mensch und rückt auf in die Sphären der Prominenten.
Das wollen auch die Bilderfälscher des Internets. Kein Tag vergeht, an dem nicht die abstrusesten Bilder im "Netz" erscheinen. Meist sind es Veränderungen und Ergänzungen schon vorhandener Bilder, seltener komplett neue Kreationen. Sehr beliebt sind selbstfabrizierte Katastrophenbilder im Mainstream der "War Games".
Jedesmal, wenn ein Hurrikan auftaucht, erscheinen auch unzählige Hurrikanbilder; die meisten sind am heimischen Computer erzeugt. So ist zum Beispiel das "Photo" vom Hurrikan Sandy (2012) über New York nicht echt. Eine solche Erscheinung hat es über New York nie gegeben.
Fälschungen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung sind allgegenwärtig. Kein autokratisches oder diktatorisches Regime möchte darauf verzichten. Meist geht es darum, Misserfolge zu kaschieren, unliebsame Personen aus Photos zu eliminieren, oder erwünschte Personen in ein Bild einzubauen. Dazu zwei Beispiele. Im Iran ging bei einer militärischen Demonstration der Stärke etwas schief: eine der Raketen zündete nicht. Kein Problem. Das offizielle Bild zeigt selbstredend den erfolgreichen Abschuss aller Raketen. Im zweiten Beispiel sind John Kerry und Jane Fonda Seite an Seite auf einer Antikriegsveranstaltung (1970) zu sehen. Tatsächlich waren die beiden nicht zusammen auf der Veranstaltung. Die Szene ist eine Montage aus zwei verschiedenen Bildern. Diese Manipulation sollte John Kerry im Präsidentschafts-Wahlkampf (2004) unterstützen
Verschwörungstheorien zentrieren sich oftmals um Bilder wie das Mondlandungsbild oder das Fahndungsphoto von Lee Harvey Oswald, dem Mörder von John F. Kennedy (1963). Das Oswaldbild soll künstlich erzeugt worden sein von den Hintermännern der Tat, um einen Schuldigen vorzuführen (er hält in der linken Hand das Gewehr, das am Tatort gefunden worden war). Viele Jahre lang untersuchten Experten das Bild, um schließlich festzustellen, das es echt ist.
Nun sind nicht alle Bildmanipulationen bösartig. Die Mehrzahl sind reine Verschönerungen - von Gesichtern, Models, Landschaftsbildern, Sportbildern. Heute gibt es wohl kein publiziertes Bild, das nicht bearbeitet wurde. Die Programme (Photoshop / GIMP) und die Methoden sind jedem bekannt: Helligkeit und Kontrast verändern, Farben verändern, störende Objekte entfernen, anderen Hintergrund einsetzen, Objekte oder Personen einfügen, Lichteffekte hinzufügen usw.
Die Veränderung von Photos hat eine lange Geschichte. Schon in den Kindertagen der Photographie war es Julia Margaret Cameron, die Mitte des 19. Jahrhunderts die belichteten, noch nassen Photoplatten mit den Fingern "wischte", um Hintergrunddetails zu verwischen oder spezielle Effekte einzuführen. Eine Vorgehensweise, die bei ihren männlichen Kollegen auf Kritik stieß.
Auch in der Phantasy-Domain gibt es kaum Bilder, die nicht bearbeitet wurden. Die meisten sind jedoch nicht einfach bearbeitet, sondern synthetisiert. Entweder sie sind absolut künstlich wie die Graphik von "Amy, Jamie und Robo", oder zusammengesetzt wie "Lisa und Herr Meier". Ihre einzige Aufgabe ist es, die begleitende Geschichte zu untermalen. Eben als Illustrationen zum Text.
Wie erkennt man ein "gefälschtes", das heißt bearbeitetes Bild?
Hany Farid, Leiter des Computer Science Dept. im Dartmouth College (Hanover, New Hamshire), ist bekannt als einer der führenden Experten für Digitale Forensik und Bildanalyse. Er hat unzählige Photos untersucht, darunter auch das Oswald-Bild (siehe oben). Er wendet verschiedene Methoden an. Die meisten werten die Lichtverhältnisse aus, zum Beispiel Schattenwurf, oder Spiegelungen.
Spiegelungen sind ein schwieriges Thema für Fälscher. Wenn physikalisch-optische Gesetze nicht beachtet werden, offenbart sich ein Bild schnell als manipuliert. Nehmen wir eine Person, die in ein Bild eingebaut wird, und die wie die anderen Personen im Bild freundlich in die Kamera lächelt. Die Pupillenreflexionen der domierenden Lichtquelle verraten den Fremdling. Eine geometrische Rekonstruktion der Position der Lichtquelle zeigt, dass die Reflexionspunkte auf den "fremden" Pupillen nicht von dieser Lichtquelle erzeugt werden, ihr Besitzer somit nicht bei der Aufnahme dabei gewesen ist.
Relativ einfach ist bei montierten Bildern zu erkennen, dass eingefügte Objekte von einer anderen Lichtquelle beleuchtet werden als alle anderen Objekte. Es erfordert viel Arbeit, ein Fremdobjekt so "umzumalen", dass es konform ist mit den Beleuchtungsverhältnissen des Gastgeberbildes.
Der Schattenwurf ist oft verräterisch. Richtung und Länge können schnell auf eine andere Lichtquelle hinweisen, die für den Rest des Bildes nicht existiert. Beides, falscher Schattenwurf und falsche Spiegelung, wird im folgenden Bild demonstriert.
Zwei Männer treffen sich auf der Terrasse eines Gebäudes mit einer langgestreckten Glasfront. Es sieht so aus, als ob einer der beiden dem anderen etwas übergibt, mutmaßlich ein Geheimdokument (ertappt!). Tatsächlich ist es aber so, dass einer der beiden in das Bild eingebaut wurde. Das lässt sich eindeutig zeigen anhand des Schattenverlaufs eines der beiden Männer, siehe die breiten Pfeile auf dem Boden. Noch deutlicher ist der Hinweis, den die Reflexionslinien geben. Alle Verbindungslinien zwischen den Objekten und ihren Spiegelungen müssten in einem Punkt außerhalb des Bildes zusammenlaufen. Das tun sie definitiv nicht.
Das Bild ist manipuliert, zu welchem Zweck auch immer. Vielleicht um ein geheimes, illegales Treffen zu dokumentieren, oder zumindest, um eine Person zu Unrecht zu belasten. Der Fälscher des Bildes hat die Physik der optischen Gesetzmäßigkeiten noch nicht verstanden.
Doch es gibt überall in der Welt geübte Fälscher. Deshalb unser Fazit:
Trau keinem Bild. Es ist höchstwahrscheinlich manipuliert. Immer dann, wenn ein Bild etwas beweisen soll, muss man davon ausgehen. Früher verschickte man eine Urlaubspostkarte unter dem Namen der Freundin - die allerdings zu Hause geblieben war - um ihren angeblich Aufenthalt in Palma de Mallorca vorzutäuschen. Heute genügt eins von tausenden Bildern aus dem Internet, in das man sich selbst einbaut. Für Anfänger: auf die Lichtverhältnisse achten!
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Kopieren von Internetbildern. Mit Hilfe der "Reverse Image Search" kann man herausfinden, wie oft und wo ein bestimmtes Bild kopiert und möglicherweise illegal benutzt wird. Zum Beispiel bei https://tineye.com. Ein Bild in das Suchfeld ziehen und sofort wird angezeigt, wo dieses verwendet wird. (Innerhalb der Menge der untersuchten (crawled, bekrabbelten) Websites).
Quellen:
http://www.bbc.com/future/story/20170629-the-hidden-signs-that-can-reveal-if-a-photo-is-fake
https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article166750819/So-leicht-fallen-wir-auf-manipulierte-Fotos-rein.html
Nachtrag 13.7.2018
Mehr als 30% der auf dem Kunstmarkt gehandelten Bilder sollen gefälscht sein. Die Firma 4ARTechnologies entwickelt eine Application zur "Authentifizierung" von Gemälden. Das Originalbild wird gescanned und die Eigenschaften Struktur, Material, Oberfläche, Farbspektrum werden in einer Blockchain-Datenbank zusammen mit einem Echtheitszertifikat und den Besitzerdaten gespeichert. Wird das Bild verkauft, dann erfolgt eine Blockchain-Transaktion und die Bilddaten wandern mit zum neuen Besitzer. Wann immer dieses Bild auf dem Markt angeboten wird, lässt sich die Echtheit anhand der gespeicherten Daten überprüfen.
Einen weiteren Vorteil bietet das System: bei ausgeliehenen Bildern kann deren Zustand nach Rückgabe automatisch überprüft werden ohne wie bisher einen Gutachter einschalten zu müssen. Die Bilderkennungssoftware ist in der Lage kleinste Beschädigungen zu detektieren.
All das soll eine Smartphone-App (4Art) mit Cloud-Anbindung bewerkstelligen können, die allerdings erst im März 2019 erhältlich sein wird. Bis dahin sammelt die Firma weiter Geld ein...
Quellen:
Hamburger Abendblatt, 10.7.2019, Jan Mölleken: Eine App gegen Fälschungen
https://www.4art-technologies.com/?lang=de