Erica
28.7.2020
Die weltweite Corona-Pandemie hat Hollywood besonders hart getroffen. Jedem ist inzwischen klar, dass es die sich küssenden und liebenden Hauptdarsteller im klassischen Hollywoodfilm nicht mehr geben wird. Zu gefährlich. Die einzige Möglichkeit, weiterhin Filme auf Hollywood-Niveau zu produzieren, ist der Einsatz von Darstellern, die nicht mit Corona infiziert werden können: Robotern.
Also schuf Hiroshi Ishiguro, Roboterspezialist an der Osaka Universität, Erica. Sie ist der Miss Universe aus dem Gesicht geschnitten. Hiroshi bezeichnet sie als "the most beautiful woman in the world". Demnächst wird sie im Film "b" zu sehen sein, der von Sam Khoze (LIFE Productions) im Auftrag der Firma BondIt Media Capital produziert wird.
Was man bisher über Erica weiß:
- ein kindliches Gesicht, ihr Alter ist unbekannt
- eine metallisch klingende Stimme
- ein britischer Akzent
- eine erkennbar roboterhafte Bewegungsart
- ein leichtes Sirren ihrer pneumatischen Gelenke
- ein sympathisches Erscheinungsbild
Sie spricht Englisch und Japanisch. Gespräche über 80 verschieden Themen kann sie auf japanisch führen.
Zur Zeit befindet sich Erica noch in der Trainingsphase. Sie hat noch keine Erfahrungen als Filmdarstellerin. So stellt sie noch Fragen wie: "Wann sage ich einen Text laut und wann leise?" oder "Warum tue ich das, wenn die Kamera läuft, aber nicht, wenn sie aus ist?". Das heißt, das "Acting" muss ihr beigebracht werden. Doch bekanntlich gehen auch Menschen auf die Schauspielschule. Besonders schwierig ist auch für Erica, ihre Körpersprache mit dem gesprochenen Text zu synchronisieren.
Natürlich ist das Lernen von Texten ein Kinderspiel. Texte werden einfach in sie heruntergeladen - fertig. Aber die Interpretation, das richtige und den Umständen angepasste Aussprechen, die Pausen, generell die Artikulation ist kompliziert, wenn man menschliche Maßstäbe anlegt. Deshalb wird Erica in verschiedensten Szenarien über Monate trainiert (eher als ausgebildet). Dafür stehen Schauspieler zur Verfügung, die mit ihr arbeiten. Sie erklären Erica, was sie empfinden, wenn sie etwas sagen oder tun. Dadurch erstellen sie deren emotionelle Basis, um situationsgerecht artikulieren zu können. Eine traurige Erica wird "Ich habe jetzt keinen Hunger" anders sprechen als eine lebenslustige Erica, also eher depressiv statt bestimmt.
Noch werden die Mitspieler für "b" gesucht. Es sollen drei Hauptdarsteller sein und einige Roboter in Nebenrollen. Auch für das Team wird eine Roboter gesucht. Unabhängig davon wurden schon einige Szenen in Japan gedreht. Die restlichen Szenen sollen in Europa im nächsten Jahr fertig werden.
Hiroshi Ishiguro, der Schöpfer von Erica, denkt schon weiter. Nach seinen Vorstellungen wird der Mensch im Laufe der Evolution zum Supermenschen, zum Androiden. Das bedeutet, dass alle seine organischen Substanzen durch anorganische ersetzt werden, auch die Augen, und letztendlich das Gehirn, das durch einen Computer ersetzt wird. Dieser wiederum kann mühelos mit externen Computern kommunizieren, so dass dem Supermenschen jederzeit das gesamte Wissen der (ehemaligen) Menschheit zur Verfügung steht.
Wie immer bei diesem Thema melden sich die Ethiker und warnen. Yuval Noah Harari zum Beispiel sagt, dass es bald eine neue Klasse Mensch auf der Erde geben könnte: den Supermenschen. "Die kommenden Herrscher unserer Welt werden sich mehr von uns unterscheiden als wir uns von Neandertalern. Während wir und die Neandertaler wenigstens noch Menschen waren, werden unsere Erben gottgleich sein", schreibt er in seinem Bestseller "Sapiens - eine kurze Geschichte der Menschheit".
Lauter Götter auf Erden, welch schöne Vorstellung. Leider ist es so, dass der Bau eines Androiden sehr viel Geld kostet. Wer also zu einem göttergleichen Supermenschen werden will, muss sehr viel Geld haben. Das bedeutet die Zweiklassengesellschaft derer, die sich das Superdasein leisten können, und den anderen, die das nicht können.
In der irdischen Realität wird es so nicht kommen. Die Evolution zum Androiden ist überhaupt nur denkbar, wenn ein Fortpflanzungsmechanismus dahinter steht. Das heißt, dass ein Mensch mit einer künstlichen Niere einen neuen Menschen zeugt, der schon mit einer künstlichen Niere auf die Welt kommt, und so weiter. Das ist nur mit exzessivem Gene-Editing möglich, also der genetischen Umstrukturierung des Menschen schlechthin. Solch massive Manipulation ist nur hinter den Mauern von Diktaturen möglich.
Auf lange Zeit wird es demnach immer mehr menschenähnliche Roboter geben, die bestimmten Zecken dienen. Man denke an den Türsteher-Robot, der dank seiner blitzschnellen, computerisierten Gesichtserkennung jeden ungebetenen Gast sofort erkennt und ihm den Eintritt verwehrt, und das dank seiner überlegenen Kraft (Servomotoren) mit Nachdruck. Dass es bald Spielfilme geben wird, in denen nur Roboter auftreten, kann man als interessant und vor allem experimentell auffassen. Dass Robots wie Erica nunmehr wie echte Hollywood-Stars auftreten und agieren, ist bedauerlich, aber zugleich ein Sinnbild für das Schicksal der Menschheit.
Quellen:
https://www.nytimes.com/2020/07/24/movies/humanoid-robot-actor.html
https://www.n-tv.de/wissen/Vision-des-anorganischen-Menschen-article21931026.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Androide