Die Schröder
15.11.2021
Im Sommer 2021 erschütterte die folgende Meldung die Republik:
Der VW-Konzern hat seinen Arbeitern die Currywurst weggenommen.
Tatsächlich war der Speiseplan der Werkskantine geändert worden und die beliebte Curry-Wurst mit Pommes frittes tauchte darin nicht mehr auf und war somit nicht mehr bestellbar. "Wegen des gewaltigen CO2-Ausstoßes dieser Wurst" lautete die Begründung des Weltkonzerns.
Die Entrüstung war bundesweit groß. Sogar der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder meldete sich zu Wort. Für ihn ist das ein Skandal: „Wenn ich noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben“, polterte er bei LinkedIn. Und weiter: „Currywurst mit Pommes ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion. Das soll so bleiben.“ Unter dem Hashtag „#rettetdieCurrywurst“ wirbt er für ein Comeback.
Die Not der VW-Arbeiter blieb nicht unbeachtet. Es gab Umfragen, Petitionen, Unterschriftensammlungen, Abstimmungen, Protestmärsche, und diverse Nervenzusammenbrüche, vorwiegend in den Familien der betroffenen Arbeiter. Eine junge Frau jedoch wurde aktiv. Sie folgte ihrem Gewissen und schritt zur tatkräftigen Hilfe.
Die Rede ist von der Unternehmerin und Kauffrau Erna Wurst aus Fallersleben-Sülfeld. Als Inhaberin und Betreiberin eines mobilen Imbiss-Stands hielt sie es für geboten und dringend notwendig, die Curry-Wurst zu den Arbeitern im VW-Werk zu bringen. Also fuhr sie zu VW und erkundete die Lage, um einen Platz für ihr Imbiss-Mobil zu finden. Diesen fand sie in einer Parkbucht an der Parkstraße im Eingang zur Ritz-Carlton-Rotunde südlich von Halle 8 des VW-Werks.
Um ihr Angebot besonders attraktiv zu machen, schuf sie eine spezielle, mit Chili versetzte Curry-Wurst und nannte sie "Schröder" in Anerkennung des Engagements von Gerhard Schröder. Eine Schröder kostet bei Erna (und nur bei ihr, denn sonst gibt es weltweit keine Schröder) um die zwei Euro achtzig. Sie war bereit.
Ganz schnell sprach sich Ernas Angebot herum. Schon am ersten Tag nach dem Aufbau des Imbiss-Mobils strömten die VW-Arbeiter zum Stand, um sich zu stärken. Und immer wurde "Eine Schröder, bitte" verlangt. Der Umsatz war riesengroß und Erna sehr zufrieden. Ab dem zweiten Tag musste sie dann Hilfskräfte beschäftigen, denn allein schaffte sie die Mengen nicht mehr. Während die beiden - Emma, die 16-jährige Nichte, und ihre Freundin, die 15-jährige Emanuela - fleißig Curry-Würste zubereiteten, hatte Erna mehr Zeit für die Organisation und den Plausch mit lauter zufrieden strahlenden Arbeiter. "Mensch Erna", sagte einer, "Das ist toll, was du da machst! Ohne die Schröder käme ich gar nicht durch den Tag. Danke!".
In der zweiten Woche gab es einen Überraschungs-Besuch. Erna traute ihren Augen nicht, als plötzlich der beliebte Bundeskanzler (Ex) Gerhard Schröder und seine Frau So-yeon Schröder-Kim vor ihrem Stand standen. "Hallo und guten Tag! Wir hätten Appetit auf 'ne ordentliche Curry-Wurst", sagte er zu Erna. Erna wurde leicht schwummrig, aber sie brachte doch zustande: "Ich kann Ihnen unsere Schröder-Wurst anbieten". "So so - Schröder-Wurst". Schröder blickte Schröder-Kim an, die nickte. "Okay, machen Sie uns beiden eine schöne Schröder!", sagte er schmunzelnd.
Inzwischen war auch die Presse da. Ernas Imbissbude war in blendendes Blitzlicht gehüllt, das noch etliche Grade greller wurde, als Erna höchstpersönlich die beiden Mahlzeiten zum Tisch der Schröders brachte. "Wunderbar", freute sich Gerhard Schröder beim Anblick der höchst appetitlich angerichteten Würste. "Sagen Sie doch mal", sagte er beim Biss in das erste Stück. "Mmmh, herrlich. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, hier zu verkaufen?" Erna, sonst schlagfertig, rang jetzt um die richtigen Worte. "Ich, ja ich dachte mir eben, den Arbeitern muss geholfen werden". "Richtig!", schmatzte der Bundeskanzler. "Und jetzt mache ich an die vierhundert Curry-Würste, also die Schröders (Erna errötete bis hinter die Ohren) jeden Mittag". "Die Schröders, finde ich gut!", antwortete Gerhard Schröder, der schon halb durch war.
"Also, ich beglückwünsche Sie zu ihrer Aktion! Wie heißen Sie übrigens?". "Erna Wurst". "Ja, das passt gut. Alles Gute für die Zukunft, liebe Erna". Erna wollte in diesem Moment im Boden versinken, doch sie blieb standhaft und strahlte über das ganze Gesicht.
So zeigt sich wieder einmal, wie sich die junge Generation für Menschen in Not einsetzt, für eine bessere, fairere, nachhaltigere, gerechtere, und neutralere Welt...
(Anm.d.Aut.: Wo "Arbeiter" geschrieben steht, ist/sind selbstverständlich auch die Arbeiter::in/nen gemeint)
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