Photographie

Mountain Nymph (1866)

7.2.2016

Der Versuch, ein physikalisches Abbild der sichtbaren Welt zu schaffen, war schon vor langer Zeit erfolgreich mit Hilfe der Lochkamera. Die Camera obscura (dunkle Kammer) ist ein Kasten oder eben eine Kammer, die mit einem winzigen Loch versehen ist, durch welches Licht von außen in die völlig abgedunkelte Kammer fällt. Dadurch wird die Außenszene auf dem Kopf stehend und seitenverkehrt auf der Projektionsfläche im Inneren abgebildet. Das Bild ist völlig verzerrungsfrei, aber auch extrem lichtschwach.

Durch die Verwendung einer Mattscheibe als Projektionsfläche konnte das Abbild auch von außen betrachtet werden. Astronomen benutzten Lochkameras schon im 13. Jahrhundert, um die Sonne blendungsfrei zu beobachten.

Im 17. Jahrhundert entstanden transportable Lochkameras mit Mattscheibe. Damit stellten viele Künstler detailgetreue Landschaftsgemälde her. Auch Goethe benutzte ein solches Gerät auf seinen Reisen.

Es war bis dahin jedoch nicht möglich, das Bild festzuhalten, also zu speichern. Das erste überlieferte Photo ist eine Landschaftsaufnahme, angefertigt von Niépce, aus dem Jahr 1826, projiziert auf eine asphaltbeschichtete Zinnplatte. Während der 8-stündigen Belichtungszeit härtete der Asphalt aus. Danach konnten die schwach belichteten und damit weniger harten Bildanteile mit Petroleum herausgelöst werden.

Annie (1863)

Zur Zeit dieses wegweisenden Ereignisses war Julia Margaret Cameron 22 Jahre alt. Es vergingen noch 26 Jahre, in denen sich die Photographie ständig weiterentwickelte, insbesondere die Bildspeicherung (auf Quecksilber-, später Silberbasis), bis Cameron in den Besitz einer eigenen Kamera kam. In jener Zeit waren Kameras etwas ganz Besonderes und einem kleinen Kreis von Enthusiasten vorbehalten, die sich in der im Jahr 1853 gegründeten Photographic Society of London zusammengeschlossen hatten. Folgerichtig bewarb sich Cameron um die Aufnahme in die Society und wurde aufgenommen, allerdings - als Frau - mit wenig Sympathie empfangen.

Camerons Photographien wurden in den folgenden Jahren häufig kritisiert. Sie seien "schlampig" angefertigt und voller Fehler, fleckig und verschmiert. Während die Herren der Photographie um technisch perfekte Bilder bemüht waren, entdeckte Cameron frühzeitig die Möglichkeiten der Manipulation von Bildern. Sie kümmerte sich nicht um Schmutzpartikel, fleckige Stellen und Wischspuren auf ihren Bildern - im Gegenteil, sie retouchierte die noch nassen Photoplatten, um Details zu entfernen oder einen speziellen Hintergrund zu malen.

Julia Jackson (1867)

Sie verstand die Photographie als Kunst und experimentierte entsprechend. Unschärfen bekümmerten sie nicht. Sie setzte sie bewusst ein, um den Fokus auf ihr interessant erscheinende Bildelemente zu konzentrieren. Das war Rebellion!

Unterstützt wurde Cameron vom Astronomen Sir John Herschel, der sich auch mit der Verbesserung der photographischen Speicherverfahren beschäftigte. Er entdeckte den Prozess zum Belichten von Papierbildern auf der Basis von kolloidalem Gold und führte die Cyanotypie auf der Basis von Eisensalzen ein. Ihm widmete Cameron das 'Herschel Album' (1864), eine Kollektion von 94 Portraits einflussreicher Persönlichkeiten, Bekannten und Familienmitgliedern - eine Auswahl ihrer besten Bilder.

Sir John Herschel (1864)

An ihren Mentor Herschel schrieb sie 1864: "My aspirations are to ennoble Photography and to secure for it the character and uses of High Art, by combining the real & ideal & sacrificing nothing of Truth by all possible devotion to poetry and beauty".

In einer Zeit des Photoshoppings (heute), in der jedes Bild gefälscht sein kann (meistens) oder echt (selten), ist es eine Wohltat, die belichtete Silberhalogenid-Emulsionsschicht eines Films als Ursprung eines echten, wirklichen Bildes anzusehen - wenngleich Camerons Wischfinger seine Spuren hinterlassen haben mag.

So gibt uns Julia Margaret Cameron das bildhafte Zeugnis einer längst vergangenen Zeit, der Wirklichkeit.

Die Werke von Julia Margaret Cameron sind bis zum 28.3.2016 im London Science Museum zu sehen, und im Victoria & Albert Museum bis zum 26.2.2016.
Siehe dort:
http://www.sciencemuseum.org.uk/visitmuseum/Plan_your_visit/exhibitions/julia-margaret-cameron
http://www.vam.ac.uk/content/exhibitions/julia-margaret-cameron/

Quelle:
http://www.bbc.com/culture/story/20160112-when-mistakes-make-the-art

Hinweis: Korrekte Schreibweise: "Fotografie". Englisch: "Photography".