Im Jahr 3018

4.2.2018

Ob man sich im Jahr 3018 an mich erinnern wird? Wohl kaum.

Alexander der Große

Ich bin einfach zu unbedeutend und zu wenig darauf bedacht, meinen Namen allseits bekannt zu machen. Ganz anders als die berühmten Helden der Vergangenheit. Nehmen wir Alexander den Großen. Abgesehen von seiner Obsession, andere Völker zu unterjochen, achtete er immer darauf, zuhause präsent zu sein (er war kriegsbedingt viel unterwegs), indem er sein Konterfei auf alle möglich Münzen prägen ließ. Und natürlich jede Menge Statuen seiner selbst aufstellen ließ.

Was nur Wenige wissen: Alexander der Große hatte auf seinen Feldzügen immer Schreiber dabei, die online und in Echtzeit seine Biographie schrieben. Eine Art Tagebuch. So konnte sich im Nachhinein jeder über die Details seiner Heldentaten informieren. Zumindest diejenigen, die eine der wenigen handschriftlichen Kopien zu sehen bekamen (und lesen konnten).

Eine andere Möglichkeit, unsterblich zu werden, ist die Erfindung von irgend etwas. Es muss nicht das Rad sein, aber etwas Nützliches. Ich denke da an den Gurkenhobel, doch den gibt's schon und keiner kennt den Erfinder. Angeblich ist das ein Herr Arbinets in Jena im Jahr 1789. Niemand kennt ihn heute.

Es muss also eine Erfindung sein, die die Menschen begeistert, und das für viele Jahrhunderte, um noch in tausend Jahren geläufig zu sein. Man nehme Philosophie, zum Beispiel Sozialismus. Karl Marx ist ohne Zweifel unsterblich. Obwohl?

Wirksamer und einfacher lassen sich Religionen instrumentalisieren für unsere Zwecke. Selbst antike Glaubenslehren und Mythen sind heute Allgemeinwissen, warum dann nicht auch noch in tausend Jahren? Wer wird jemals den hammerschwingenden Gott Thor vergessen oder den Blitze schleudernden Gott Zeus? Diesem vielversprechenden Ansatz folgend habe ich eine Religion erfunden und in der Meldung "Religion" beschrieben. Inzwischen zweifle ich jedoch an der Langzeitwirkung meiner Erfindung. Sie wird vermutlich untergehen im Gemenge der vielen Lehren. Vielleicht wird es aber doch einen kleinen Eintrag geben im wikiOmnia des Jahres 3018.

Viele versuchen es mit Kunst - der Malerei, der Komposition oder dem Dichten. Es gibt keinerlei Garantie für einen Ruhm, der mehr als 30 Generationen überdauern kann. Es ist aber in seltenen Fällen möglich. Ich gehe davon aus, dass Picasso auch in tausend Jahren noch bekannt sein wird, weil er ein echter Revolutionär war, der die Augen auf der falschen Seite malte. Kurz: ein neuer Ansatz, eine neue Denkrichtung - das bleibt eventuell in der Zeitströmung hängen.

Errungenschaften für die Menschheit? Okay - Einstein. Doch der kleine Mann auf der Straße interessiert sich nicht für die Relativitätstheorie, schon gar nicht für die Spezielle. Und außerdem kann es sein, dass die Menschen in tausend Jahren interstellar reisen und gar keine Gedanken mehr verschwenden müssen an die dann allseits kartographierten Schwarzen Löcher, Gravitationsgeneratoren, intergalaktische Ströme als Autobahnen für Fernreisen, und natürlich die experimentell schon erfolgreichen Zeitreisen. Wozu braucht man da noch Einstein. Wer war das?

Aber das alles ist Humbug und bloße Spekulation. Science-Fiction-Zeugs. Gut, Asimov beschrieb in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr detailliert die Roboter, die wir heute haben. Vielleicht überdauern seine drei Robotergesetze.

Es gibt also durchaus Kandidaten für das Überleben im Gedächntnis der Menscheit, nur ich gehöre nicht dazu, denn ich kann nichts. Ich kann nicht weit springen, nicht gut singen, nur schlecht dichten, und etwas Revolutionäres fällt mir nicht ein. Etwas Großes bauen, Pyramide oder Ming-Mauer (8851 Kilometer), dafür habe ich weder die Mittel noch die Motivation.

Bleibt nur noch die Schandtat, an die man sich erinnern soll. Durch die Menschheitsgeschichte zieht sich eine Blutspur von Gewalttaten und monströsen Massenmorden. Selbstverständlich gehen die Mörder in die Nachwelt ein. Doch ich kann keiner Fliege etwas zu Leide tun (außer mit der Fliegenklatsche).

Ultima Ratio ist der Heldentod. Ich stelle mir vor, wie ich ein Kind vor dem herannahenden Lkw von der Straße ziehe und dabei selbst unter die Räder komme. Eine solche Tat ist heroisch, wenngleich nicht geplant. Man kann heroische Taten vorbereiten, indem man den Straßenverkehr aufmerksam beobachtet. Wie oft fährt ein Fahrradfahrer über die Straße und glaubt, der abbiegende Lkw würde ihn sehen. Da! Schon wieder eine Gelegenheit.

Andererseits sind Heldentaten dieses Kalibers nicht sehr bedeutend angesichts der Großtaten im Internet. Ich nehme an, mein Opfer wäre gerade mal eine kleine Notiz in der Ostseezeitung wert.

3018

Was mich letztendlich bewogen hat, tausendjährigen Ruhm nicht anzustreben, sind die Erkenntnisse aus meinen Reisen in die Zukunft wie ich sie im Reisebericht "Die Zukunft" niedergeschrieben habe. Mein erster Sprung katapultierte mich damals ca. 1000 Jahre in die Zukunft. Der Schreck sitzt mir noch heute in den Knochen. Die Zerstörung der Welt und die globale radioaktive Verseuchung sind so total, dass aller Anlass dazu besteht, an eine einhergehende Vernichtung des gesamten Menschheitsgedächtnisses zu glauben. Wenn also Einstein, Picasso, Asimov nicht mehr existieren in jener Zeit, ist mein unbedeutendes Ich dann ohnehin irrelevant.

Quelle:
http://www.bbc.com/future/story/20171220-how-to-be-remembered-in-1000-years