OoooOOoOoOo - DANKE
12.10.2020
Ein Baby wird geboren und die Eltern betrachten es mit Wohlgefallen. Das Neugeborene ist wohlgeformt und pulst schon ein wenig. Die Eltern sind es nur zufällig, weil sie bei der Geburt gerade in der Nähe waren, keine 300.000 Kilometer entfernt. Sie sind Mitglieder der großen Familie der Gasriesen, der газ клан im Halo des Andromeda-Nebels. Und nun gibt es einen neuen, noch ganz kleinen Gasriesen mit dem Namen parva. Die газ клан bewohnen ein Gebiet mit einem Durchmesser von ca. 2 Lichtjahren. Sie leben und ernähren sich von energiereicher Strahlung aus ionisierten Atomen. Es dauert rund 80.000 Jahre, bis ein kleiner Gasriese wie parva zu einem ausgewachsenen Mitglied der газ клан geworden ist. Dann beherrscht er auch die Sprache seiner Verwandten. Diese kommunizieren mittels Strahlungsimpulsen, die sie sich gegenseitig zuschicken. Jede Nachricht ist somit ein kleines Geschenk, Pralinen sozusagen. Die kurzen und langen Impulse bilden als Kette einen Morsecode und können über weite Strecken versandt werden. Die Sendungen sind unverschlüsselt, denn in dieser Region der Andromeda-Galaxie hört kein Mensch zu.
parva wurde von früh an aufgepäppelt und fing bald an zu brabbeln. Das Wissen seiner großen Familie erhielt er in Strahlungsdosen über lange Zeit hinweg. Sein Talent der Analyse und der Astronomie wurde irgendwann offensichtlich, denn schon in jungen Jahren, im Alter von kaum 70.000 Jahren, wurde er aufgenommen in die Astronomische Gesellschaft. Von da an gehörte sein Leben als Gasriese der Erforschung fremder Energiequellen im weiteren Umkreis. Immer wieder erschloss er neue Bezugsquellen für die lebensnotwendige Energiestrahlung. Seine Bemühungen wurden jedoch gekrönt, als er einen kontinuierlichen Strom von Energiepaketen entdeckte, der durch das Gebiet der газ клан floss.
Ein Baby wird geboren und die Eltern betrachten es mit Wohlgefallen. Ein schönes Mädchen, das schon kräftig vor sich hin kräht. Es ist Karen Miller, nach dem Willen ihrer Eltern. Die Millers sind eine große Familie von Rechtsanwälten und Politikern im Nordosten der USA. Das Nachwuchstalent Karen durchlief die Harvard-Universität mit Ökonomie-Studium und ging nach Abschluss zunächst in Kanzlei ihres Onkels Jeremy, um sich dort auf ihre Laufbahn als Politikerin vorzubereiten. Bald wandte sie sich dem Problem der weltweiten Energieversorgung zu. Zu ihrer Lebenszeit überschritt die Weltbevölkerung die 10 Milliardengrenze. Es war schon seit längerem klar, dass diese vielen Menschen bald nicht mehr mit Sonnen- und Windenergie versorgt werden konnten (Öl, Kohle, Gas gab es schon lange nicht mehr). Energieversorgung war jedoch laut UN-Charta ein Menschenrecht, denn jeder wollte es warm haben und ein Essen kochen.
Karen initiierte einen UN-Ausschuss, der sich mit der künftigen Energieversorgung der Menschheit befasste. Wenig überraschend kam dieser zum Schluss, dass nur der weltweite Einsatz der Atomenergie die Menschheit retten kann. Also wurde ein gigantisches Programm zur Errichtung von Atomkraftwerken gestartet. In Europa wurden sukzessive 132 Atomkraftwerke gebaut, davon 21 in Deutschland. Die Menschheit atmete auf. Dank Karens Einsatz konnte wieder jeder heizen und eine Suppe kochen. Nebenbei erwähnt: Karen Miller erhielt im Alter von 73 Jahren den Friedensnobelpreis.
Sie war es auch gewesen, die vorgeschlagen hatte, den Atommüll, die abgebrannten Kernbrennstäbe, in den Weltraum zu schießen. Das erspart Unsummen von Endlagerkosten. Auch die Konditionierung der Brennstäbe kann entfallen. Auf jedem Kontinent der Erde wurde eine Raketen-Abschussbasis errichtet. Von jeder Basis wurde dann einmal im Monat Richtung Weltall gefeuert mit relativ billigen Raketen, denn diese hatten nur eine Aufgabe, nämlich ihre Fracht aus der Milchstraße hinauszuschießen. Ein Ziel wurde erst gar nicht bestimmt, denn weg ist weg, aber es zeigte sich, dass sich wegen des periodischen Abschießens (einmal im Monat) ein ungefähres Ziel einstellte, nämlich die Andromeda-Galaxie mit ihrer riesigen Ausdehnung von rund 220.000 Lichtjahren.
Dort, im Andromeda-Halo, in dem die große Familie der газ клан wohnt, hatte der Forscher parva begonnen, die neu entdeckten Energiepakete zu untersuchen. Wie alle газ ist er mit außerordentlich empfindlichen Strahlungssensoren ausgestattet, die normalerweise ein Gebiet von rund 120.000 Kilometern überdecken. Doch hier musste die Aufnahmekapazität stark gebündelt werden, denn die Pakete in länglich angespitzter Metallhülle waren jedesmal recht klein, sandten aber interessante und wirkungsvolle Atomstrahlung aus, ein Leckerbissen und durchaus eine Mahlzeit für zwischendurch.
Man begann nun, nach der Quelle der Strahlengeschenke zu forschen. Dabei rückte immer mehr die nur 2,5 Millionen Lichtjahre entfernte benachbarte Milchstraße ins Visier. Messungen über mehrere Jahre bestätigten die Vermutungen. Die Quelle wurde am Rande der Milchstraßen-Galaxie in einem weitgehend leeren Raum geortet. Eine nähere Bestimmung war nicht möglich, denn obwohl die Gasriesen durch spezielle Formationen Strahlenbilder in großer Entfernung auflösen können, ist ihnen die Erkennung einzelner Sonnensysteme oder gar Planeten nicht möglich.
Die Messergebnisse reichten aber aus, den Strahlensendern ein Dankeschön zurückzuschicken, denn der Technische Rat der газ клан ging davon aus, dass die Sender Nachrichten auch in größerer Entfernung lesen konnten. Also wurde eine Grußbotschaft formuliert: "Wir danken für Euere Strahlengeschenke". Die Technische Abteilung ging nun daran, diesen Text in ein sequentiell-digitales Signal umzusetzen und in Richtung Milchstraße zu emittieren: oOOoooOoOoooOOoOoOoOoooOoooOOoOooooOOooOoooooOoOooOoooooOoooOoOOoooooOoOooooooOoOoOo
Die Botschaft wurde permanent gesendet. Die beteiligten Gasriesen machten das nebenbei. Ab und zu wurde die Region gescanned, um zu sehen, ob eine Antwort aus der Milchstraße empfangen worden war. Das war nicht der Fall. Die kleinen Strahlenpakete kamen noch rund 300 Jahre lang an, danach keine mehr. Die газ клан warteten etwa 100 Jahre, doch die Quelle ihrer kleinen Wohltaten war offensichtlich versiegt.
Auf der Erde wurde das erfolgreiche Müllverschickungsprogramm über viele Generationen fortgeführt. Dank globaler Atomenergie konnten alle Menschen ihr Süppchen kochen. Alle 100 Jahre wurde der weitsichtigen Gründerin Karen Miller gedacht. Doch die Uranerze waren nach rund 300 Jahren erschöpft. Dementsprechend gab es keine Müllraketenstarts mehr.
Jede der strahlenden Müllraketen war damals mit Photonenantrieb ausgestattet und erreichte nach ca. 1000 Jahren eine Reisegeschwindigkeit von 75.000 km/sec, also ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Nach rund 10 Millionen Jahren tauchten sie in den Andromedanebel ein und durchquerten das Wohngebiet der газ клан. Nur 2,5 Millionen Jahre später kamen die ersten Strahlenimpulse von der Andromeda-Galaxie bei der Erde an.
In dem langen Zeitraum zwischen dem Abschießen der Raketen und dem Eintreffen der Dankesbotschaft von den газ клан, nämlich 12,5 Millionen Jahren, passiert natürlich einiges auf der Erde. Fachleute gehen davon aus, dass die Lebensspanne der Menschheit 10 Millionen Jahre beträgt, so wie in "Das Ende der Welt" beschrieben. Andererseits gibt es mindestens einen Augenzeugen, der auf der Erde selbst in zwei Milliarden Jahren noch menschenähnliche Wesen entdeckte, so in "Die Zukunft" beschrieben.
Es stellt sich also die Frage, wer die freundliche Nachricht von Andromeda in 12,5 Millionen Jahren empfangen und entschlüsseln wird. Sind dann noch Menschen da? Und welche technische Ausstattung besitzen sie, um die energiearmen Impulse aufzufangen und zu analysieren? Würden sie eine Rückantwort schicken, und wenn ja, wohin? Zumindest eines scheint sicher zu sein: Wer immer die Botschaft der fernen газ клан entziffern wird - er (oder sie) wird erstaunt sein, dass die intelligenten Wesen im All, die Sender der Nachricht, Deutsch sprechen.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kosmische_Strahlung
https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtgeschwindigkeit
https://de.wikipedia.org/wiki/Andromedagalaxie
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk
Nachtrag 27.11.2020
Interview mit Ulrich Walter, Physiker, Professor für Raumfahrttechnik an der TU München, Wissenschaftsastronaut an Bord der "Columbia" im Jahr 1993 - erschienen in DIE WELT am 14.11.2020
In Auszügen:
Manche sagen, dass es angesichts der Größe des Universums viele Planeten mit intelligenten Wesen geben muss.
Das kann so sein und ist angesichts der Größe des Alls durchaus plausibel.Doch letztlich wird es nie eine definitive Antwort auf diese Frage geben. Dafür sind die Entfernungen im Universum einfach zu groß. Unser nächster Nachbar, die Andromeda-Galaxie, ist bereits 2,5 Million Lichtjahre von uns entfernt. Bei diesem Abstand ist keine Kommunikation denkbar. Ein Funksignal würde 2,5 Millionen Jahre für eine Strecke benötigen, und eine Antwort käme erst nach fünf Millionen Jahren zurück - theoretisch. Reisen zu anderen Galaxien sind erst recht ausgeschlossen. Die Frage, ob es dort tatsächlich Leben gibt, bleibt also sehr akademisch. Weil aber das Universum mindestens 100 Milliarden Lichtjahre groß ist - wahrscheinlich noch größer -, bin jedenfalls ich davon überzeugt, dass es irgendwo da draußen noch andere Zivilisationen geben muss - auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür im Einzelfall sehr gering ist.
Sie halten die Existenz von Außerirdischen in der Milchstraße für sehr unwahrscheinlich. Ist dann die Suche nach Signalen von Außerirdischen beim Seti-Programm nicht Unsinn?
Ich bin ein großer Befürworter von Seti, gerade weil ich überzeugt bin, dass wir in der Milchstraße die einzigen intelligenten Wesen sind. Das mag unlogisch klingen, ist aber wissenschaftlich zwingend. Denn jede wissenschaftliche Theorie muss, so wissen wir seit Karl Popper, falsifizierbar sein, das heißt sie muss sich der Möglichkeit eines Gegenbeweises aussetzen können - sonst wäre sie nicht wissenschaftlich. Wenn ich also sage, wir sind die einzigen intelligenten Wesen in der Milchstraße, dann muss ich eine Möglichkeit nennen und zulassen, wie das widerlegt werden könnte. Genau das ist Seti. Erst wenn wir jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang nach Signalen von Außerirdischen horchen und nie etwas auffangen, wird man zunehmend Vertrauen gewinnen, dass meine These richtig ist. So funktioniert Wissenschaft. Nach 60 Jahren galaktischen Schweigens bin ich fest davon überzeugt: Wir werden nie Nachrichten von Außerirdischen empfangen.