Deception Island

27.6,2022

An der Nordküste des antarktischen Kontinents und 800 Kilometer südwestlich der Südspitze Südamerikas liegt die Insel Deception Island. Im Zentrum befindet sich ein See, ein mit Wasser gefüllter Vulkankrater (Caldera). Das Besondere an Deception Island ist, dass man den See durch eine enge Passage mit dem Schiff erreichen kann.

Lange bevor die Schiffe der Walfänger diesen Weg nahmen, gelangte so der legendäre weiße Pottwal Moby Dick zur Caldera auf Deception Island. Die Vorgeschichte ist grausam. Sie wurde von Herman Melville beschrieben und im Jahr 1851 veröffentlicht.

Deception Island Caldera

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war New Bedford an der amerikanischen Ostküste das Zentrum des weltweiten Walfangs. Von hier aus starteten die Walfangschiffe zu ihren abenteuerlichen Fahrten über die Weltmeere. So auch die Pequod mit zwei Dutzend Männern an Bord, darunter der Harpunier Queequeg und der Kapitän Ahab. Erst auf offener See verkündet der Kapitän der Mannschaft das Ziel der Reise. Es gilt, den weißen Wal zu finden und zu töten. Ahab ist ihm schon früher begegnet und hat beim Kampf ein Bein verloren. Blinder Hass beherrscht ihn und er wird sein Leben einsetzen (und verlieren) für das Auffinden seines Feindes Moby Dick.

Die Suche führt um das Kap der guten Hoffnung an der Südspitze Südafrikas durch den indischen Ozean vorbei an den indonesischen Inseln bis vor Japan. Immer wieder werden andere Walfänger, denen sie begegnen, nach dem weißen Wal gefragt. Und schließlich ist es so weit. Der Wal taucht vor der Pequod auf und die Jagd beginnt. Sie dauert drei Tage und umfasst drei Konfrontationen. Beim letzten Zusammenstoß wird die Pequod von Moby Dick gerammt und zum Sinken gebracht. Ahab wird in seinem Walboot von einer auslaufenden Harpunenleine erfasst und von dem abtauchenden Wal unter Wasser gezogen.

Moby Dick kämpft um sein Leben und
vernichtet ein Walfangboot

Moby Dick war von etlichen Harpunen getroffen und schwer verletzt worden. Er hatte aber überlebt. Über Monate schleppte er sich langsam genesend durch die Meere, wobei er instinktiv in Richtung Süden vorantrieb. Irgendwann war er bei den Südlichen Shetlandinseln angelangt. Die Passage in die Caldera der Deception Island versprach Moby das lang gesuchte Versteck, das ihn vor Verfolgungen schützen sollte. Und tatsächlich verschaffte ihm der Kratersee die dringend benötigte Ruhe und Erholung. Hier begegnete er keinem Menschen und keinem Walfänger. Einmal in der Woche schwamm Moby hinaus auf das offene Meer und tauchte ab bis zum Meeresgrund. Dort verspeiste er etliche Riesen-Tintenfische. Gesättigt und höchst zufrieden zog er sich dann wieder in seine Caldera zurück.

Viele Jahre später kamen die Menschen. Sie machten die Caldera zu einem Hafen und nannten diesen Port Foster. Am Strand aus schwarzem Vulkangestein errichtete die norwegische Firma Hvalfangerselskabet Hektor im Jahre 1912 eine Walfangststation. Auf dem Gelände, Whalers Bay genannt, entstanden riesige Behälter, in denen Wale zu Öl zerkocht wurden. Bis zu 500 Arbeiter waren damit beschäftigt. Walfang und -verarbeitung währten bis zum Jahr 1931.

Einfahrt in die Caldera

In Kriegszeiten errichtete die Royal Navy im Jahr 1944 eine Flottenbasis auf dem Gelände der verlassenen Walfangstation. Heftige Vulkaneruptionen in den Jahren 1967 und 1969, als Neil Armstrong den Mond betrat, zerstörten alle Einrichtungen auf der Insel, einschließlich einer britischen Forschungsstation, dem alten Flugzeughangar aus dem Jahr 1928 und der chilenischen Forschungsstation Aguirre Cerda. Diese Ereignisse beendeten alle Aktivitäten auf Deception Island. Heute existieren nur noch zwei kleine Stationen (spanisch / argentinisch) zur Messung der seismischen Aktivitäten des Vulkans - und die Bewohner der Insel: die Pinguine.

Die ehemalige Fabrik in Whalers Bay

Bemerkenswert ist noch, dass die Engländer Mitte der 1960er Jahre unter anderem auch die Caldera, den Vulkansee untersuchten. Zu ihrem Erstaunen fanden sie auf dem Grund des Sees einen im eisigen Wasser konservierten weißen Wal. Die Forscher konnten sich den Fund nicht erklären, denn zu Zeiten des Walfangs waren nur Blauwale gejagt worden. Eine Harpune, die im Körper des Wals steckte, wies jedoch darauf hin, dass auch der weiße Wal von Walfänger attackiert worden war. Einem der Wissenschaftler, Ernest Sotheby, kam der weiße Wal Moby Dick in den Sinn. Doch er verwarf seine Gedanken als vollkommen unwirklich. So kam es, dass das Geheimnis von Moby Dicks Verbleib bis heute nicht aufgedeckt ist.

Moby ruht also in Frieden, während über ihm Wale zu Öl wurden, Flugzeuge und Kriegsschiffe manövrierten, und die Insel unter den Vulkanstößen erbebte. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.


Quellen:

https://www.bbc.com/travel/article/20220313-antarcticas-volatile-deception-island
https://de.wikipedia.org/wiki/Caldera_(Krater)
https://de.wikipedia.org/wiki/Deception_Island
https://de.wikipedia.org/wiki/Moby-Dick
https://second.wiki/wiki/estacic3b3n_ballenera_hektor

Die Einwohner von Deception Island