Deadbots

24.8.2023

Jede/r kennt Chatbots - aber Deadbots?

Ein Chatbot ist ein Roboter - gewöhnlich in der Form eines Computers, also weitgehend viereckig - mit dem man plaudern kann über Gott und die Welt. Ein Deadbot ist ein Mensch und sieht aus wie ein Mensch, ist aber künstlich. In der Regel ist der Deadbot tot, spielt aber den Menschen, der er mal war, weiter in Filmen und Interviews.

Die Filmindustrie in Hollywood hat ein großes Interesse daran, beliebte und berühmte Schauspieler immer wieder in Filmen unterzubringen, auch nach dem Ende ihres Lebens. Wenn genügend Material aus den besten Zeiten eines Schauspielers vorhanden ist, lässt sich daraus eine digitale Kopie anfertigen, die alle Eigenschaften des Verstorbenen besitzt und genau wie dieser agiert (spricht, lacht, sich bewegt, agiert (nach Drehbuch) und interagiert mit anderen Spielern.

In diesem Zusammenhang sagte der Schauspieler Tom Hanks vor kurzem, dass er durchaus noch weit über seine Lebensspanne hinaus arbeiten könnte, und sagte im Adam Buxton Podcast: „Ich könnte morgen von einem Bus angefahren werden und das war's, aber meine Auftritte können immer weitergehen.“

Zur Zeit ist der vor rund 70 Jahren verstorbene Schauspieler James Dean im Fokus der Filmschaffenden. Das digitale Klonen von James Dean stellt eine bedeutende Veränderung dessen dar, was möglich ist. Sein KI-Avatar wird nicht nur in der Lage sein, in Back to Eden und einer Reihe nachfolgender Filme eine Rolle auf dem Flachbildschirm zu spielen, sondern auch auf interaktiven Plattformen wie Augmented Reality, Virtual Reality und Gaming mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Die Technologie geht weit über die passive digitale Rekonstruktion oder Deepfake-Technologie hinaus, bei der das Gesicht einer Person über den Körper einer anderen Person gelegt wird. Es erhöht die Aussicht, dass Schauspieler – oder auch irgendjemand sonst – eine Art Unsterblichkeit erlangen, die andernfalls unmöglich gewesen wäre, mit Karrieren, die noch lange nach ihrem Lebensende weitergehen.

James Dean im Jahr 1955

Als Dean vor 68 Jahren starb, hinterließ er eine umfangreiche Sammlung seiner Selbst in Filmen, Fotos und Audio – was Cloyd von WRX „Quellenmaterial“ nennt. Cloyd sagt, dass für eine fotorealistische Darstellung von James Dean unzählige Bilder gescannt, auf eine hohe Auflösung abgestimmt und von einem Team digitaler Experten mithilfe fortschrittlicher Technologien verarbeitet werden. Mit der Addition von  Audio, Video und KI werden diese Materialien zu Bausteinen eines digitalen Klons, der wie Dean aussieht, klingt, sich bewegt und sogar auf Eingabeaufforderungen reagiert.

Mittlerweile gibt es sogar Unternehmen, die es Benutzern ermöglichen, die digitalen Daten verstorbener Angehöriger hochzuladen, um Deadbots zu erstellen, die mit den Lebenden von jenseits des Grabes chatten. Je mehr Quellenmaterial, desto genauer und intelligenter ist der Deadbot, was bedeutet, dass der Nachlassverwalter eines modernen Prominenten möglicherweise einem überzeugend realistischen Klon des verstorbenen Stars ermöglichen könnte, auf Dauer in der Filmindustrie weiterzuarbeiten – und einigermaßen autonom zu interagieren .

Interessant ist auch die Wiederbelebung von Personen mit besonderem Wissensschatz. Zum Beispiel dem Kunsthistoriker Ahmad Atzbacher, der fast sein ganzes Leben im Kunsthistorischen Museum in Wien verbrachte und dort, zusammen mit seinem Freund, dem Kunstkritiker Max Reger, Gemälde Alter Meister in all ihren Details studierte. Er führte darüber ein detailliertes Tagebuch. Die Sammlung von 38 Tagebüchern aus einem Zeitraum von über 30 Jahren ging nach Atzbachers Ableben im Jahr 1934 in den Besitz der Familie über. Im Jahr 2021 kaufte Universal Pictures die Tagebücher für das Filmprojekt "The Imaging Masters". Alle wurden digitalisiert, analysiert, und in das neuronale Netzwerk des Projekts überführt. Hinzugefügt wurden Photos und kurze schwarz-weiß-Filme von Atzbacher aus seiner Lebenszeit, sowie biographische Daten.

Deadbot Atzbacher (Ahmad Mesgarha) in Wien

Der Film wurde dann auf der Grundlage von GPT-4 (OpenAI) Schritt für Schritt entwickelt. Das Drehbuch erstellte das System nach Vorgaben wie "Szenen im Museum mit der Begutachtung von Gemälden und Gesprächen mit dem Freund Reger, dabei Kommentierung und Kritik" ergänzt durch Hinweise zur Fokussierung auf bestimmte Gemälde wie diejenigen des venezianischen Meisters Jacopo Tintoretto.

Der Film ist jedoch nur der Appetithappen für die Vermarktung Atzbachers akkumuliertes Wissen über die Malerei des 16. Jahrhunderts, speziell der venezianischen Meister. Es ist jetzt möglich, mit Deadbot Atzbacher über Kunst zu sprechen. Er beantwortet jede Fachfrage und gibt darüber hinaus wertvolle Hinweise zum Schaffen eines jeden Künstlers. Besonders zu Tintoretto, dem Schöpfer des Portraits eines Weißbärtigen Mannes weiß Atzbacher viel zu erzählen, zum Beispiel dass es um 1545 in der Frühphase des Malers (im Alter von 26 Jahren) entstanden ist und zu den berühmtesten Portraits seiner Epoche gehört. Auch die gestörte Beziehung Tintoretto zum Großmeister Tizian schildert Atzbacher auf überzeugende Weise - gestützt auf seine eigenen Tagebuchaufzeichnungen.

Die Hollywood Computer Generated Imagery (CGI) Technologie ermöglicht die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen verstorbener Personen an die Nachfahren auf unbegrenzte Zeit. Aber diese Technologie wirft auch einige unangenehme Fragen auf. Wem gehören nach dem Tod die Rechte an Gesicht, Stimme und Persönlichkeit einer Person? Welche Kontrolle können sie über die Richtung ihrer Karriere nach dem Tod haben – könnte ein Schauspieler, der sich mit düsteren Dramen einen Namen gemacht hat, plötzlich dazu gezwungen werden, in einer albernen Komödie oder sogar in einer Pornografie aufzutreten? Was wäre, wenn sie für unentgeltliche Markenwerbung in der Werbung genutzt werden könnten?
Die Schauspielerin Susan Sarandon gehört zu denjenigen, die über ihre Bedenken gesprochen und davor gewarnt haben, dass ihre Personifizierung durch Künstliche Intelligenz sie dazu bringen könnte, „Dinge zu sagen und zu tun, bei denen ich keine Wahl habe“.

Fran Drescher, Präsidentin der SAG-AFTRA

Sie und viele ihrer Kolleginnen haben das Gefühl und zugleich die Gewissheit, dass sie früher oder später ersetzt werden durch künstlich erzeugte Schauspielerinnen. Um dagegen zu protestieren, traten jetzt alle 160.000 Mitglieder der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA in einen unbefristeten Streik. Fran Drescher, die Präsidentin der SAG-AFTRA, bekannt als „The Nanny“ führt den Streik der US-Schauspieler an. Als Frau über 40 hat sie Narrenfreiheit, meinen ihre Bekannten.

Tatsache ist, dass die U.S.A. und die ganze Welt seit Juli 2023 keine neuen Filme mehr aus Hollywood bekommen. Die zentrale Filmindustrie ist lahmgelegt. Das wird noch eine ganze Zeitlang so bleiben, zumindest solange, bis die Bosse der Filmriesen akzeptieren, dass sie auf die Schauspieler nicht verzichten können.

Oder doch? Schließlich gibt es die Hollywood Computer Generated Imagery (CGI) Technologie, und die ermöglicht das Klonen jeder Schauspielerin. Der fortgesetzten Filmproduktion steht also nichts im Wege (schon gar nicht streikende Schauspieler). Im Grunde sieht sich die Filmindustrie durch den Streik geradezu dazu gezwungen künstliche Schauspieler - auch posthum - einzusetzen.

Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Man muss das verstehen!

Quellen:

https://www.bbc.com/future/article/20230718-how-ai-is-bringing-film-stars-back-from-the-dead
https://screenrant.com/dead-actors-brought-back-with-cgi/#marlon-brando---superman-returns
https://www.theguardian.com/world/2023/jul/14/brazil-singer-elis-regina-artificial-intelligence-volkswagen
https://de.wikipedia.org/wiki/SAG-AFTRA
https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Meister_(Roman)
https://www.staatsschauspiel-dresden.de/spielplan/a-z/alte_meister/
https://artinwords.de/tintoretto-a-star-was-born/
https://www.spektrum.de/news/ki-kontroverse-leidet-gpt-4-an-gedaechtnisschwund/2170173