Vampir

Schloss Dracula

19.12.2021

Bran, ein kleines Städtchen in Transsilvanien (in Rumänien) ist die Heimat der Vampire. Rund um das Schloss des berüchtigten Grafen Dracula leben die Vampire am häufigsten. Der Begriff "Leben" muss allerdings relativiert werden. Vampire sind männliche Leichen, die des nachts aus ihren Särgen steigen und die Umgebung unsicher machen. Vampire haben einige Eigenschaften, die sie von anderen Untoten unterscheiden. Dazu gehört die Scheu vor Tageslicht - Vampire sind nachtaktiv. Berichtet wird, dass Vampire kein Spiegelbild haben. Doch dafür gibt es keine ernstzunehmenden Belege. Gesichert ist jedoch das Verlangen, menschliches Blut zu trinken. Es soll - und das ist erwiesen - eine lebensspendende Wirkung haben, das heißt, die Aktivitätsspanne der wandelnden Leichname wird verlängert.

Blut als Lebenselixier ist der Hauptantrieb für das Unwesen der Vampire. Jede Nacht benötigen sie ein Mindestquantum an Blut, am liebsten von jungen Frauen, wenn möglich von schönen jungen Frauen. Die geeigneten Frauen leben in Bran ein eher unerfreuliches Leben.

Eine der zahlreichen potentiellen Blutspenderinnen ist Vlădelina Dragomir. Sie ist 18 Jahre alt, bildhübsch und lebt auf dem Gut Dragomir ihres Vaters an der Strada Liviu Popovici (auf Karte zeigen). Dort widmet sie sich der Malerei. Besonders gelungen sind ihre Ölgemälde von Schloss Dracula, immer mit Vollmond. Diese Kunstwerke sind bei Touristen sehr beliebt und sichern Vlădelina ein gutes Einkommen.

Vor kurzem ereignete sich ein tragischer Unfall. Vladelinas Bruder Răzvan stürzte von den Felsklippen des Schlosses, die er ohne Seilsicherung erklimmen wollte, und kam zu Tode. Es war ein großes Unglück für die ganze Familie. Besonders Vlădelina litt darunter, nun ohne den von ihr bewunderten Bruder leben zu müssen. Niemals kam ihr auch nur der Gedanke, dass sie ihn wiedersehen würde.

Răzvan und Vlădelina

Das geschah aber an dem Abend, als sie erschöpft von ihrer Malerarbeit im Sessel niedersank, und ein ungewohntes Geräusch hörte, das wie ein Keuchen klang. Erschreckt blickte sie zur Tür, in der sich urplötzlich eine bleiche Gestalt blicken ließ. Entsetzt und zugleich erfreut sah sie ihren Bruder im Türrahmen. "Răzvan, bist du es? Wo kommst du her?".

"Tut mir leid, Vlădi, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich wollte dich aber unbedingt wiedersehen!"
"Ich freue mich! Aber wie geht es dir? Wo lebst du? - komm doch rein zu mir".
Răzvan setzte sich auf die Bettkante und sah Vlădelina bedeutsam an.
"Wo ich lebe? Na, in meinem Sarg. Du weißt doch, wie der aussieht. Du warst doch bei der Beerdigung dabei".
Bei diesen Worten wurde Vlădelina fast so bleich wie ihr Bruder, dessen bleiche Erscheinung ihr erst jetzt bewußt wurde. Die großen spitzen Zähne, die blutroten Lippen!.
"Ja, meine Liebe. Du siehst ganz recht: ich bin jetzt ein Vampir".
Vlădelina stieß einen spitzen Schrei aus.
"Keine Angst Vlădi, ich bin ja nicht der Einzige. Hier gibt es viele von uns. Aber nur einer ist dein Bruder!".
"Oh, ich habe mich so erschreckt, Răzi, aber nur, weil du so ein bisschen - ungesund - aussiehst".
"Ja das liegt wohl daran, dass ich noch nicht gefrühstückt habe".
"Ich mach' dir was. Haferflocken mit Milch?".
"Vlădi, weißt du denn nicht, dass Vampire nur Blut trinken können?".
"Hab' ich leider nicht".
"Oh doch, dein Blut!".
Bei diesen Worten wurde Vlădelina leicht ohnmächtig. Răzvan ging zu ihr und führte sie behutsam zum Bett, wo er sie in eine halb liegende, halb sitzende Lage brachte. Als er ihren Kopf leicht zur Seite bog, war sie all dessen, was da geschah, nicht bewusst. Auch beim Biss in ihren Hals am Ort der Halsschlagader zuckte sie nur kurz und hörte das Schlürfen wie aus weiter Ferne. Als Răzvan seinen Durst gestillt hatte, bettete er seine Schwester sachte in eine bequeme Lage und wartete neben dem Bett sitzend darauf, dass sie wach wurde.

Ganz langsam kam Vlădelina zu sich. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet und fokussierte allmählich auf das Gesicht ihres Bruders.
"Sag mir - hast du wirklich - mein Blut - getrunken?".
"Ich kann nicht anders, meine Liebe!. Es wird dir gleich wieder gut gehen".

Vlădelina betastete ihren Hals, wo ein leichtes Pochen zu spüren war. Doch bis auf einen winzigen Schmerz bei der Berührung stellte sie nichts Auffälliges fest. Răzvan nahm ihre Hände und bedankte sich. Er bedeutete ihr, dass er gerne noch eine Weile bei ihr bleiben würde. Darauf lud Vlădelina ihn ein, Modell zu sitzen für ein Gemälde. Sie hatte noch nie einen Vampir gemalt!

Und so entstand das Bild, das sich Vlădelina für alle Zeiten eingebrannt hatte: der Moment, in dem ihr Bruder in ihrem Zimmer auftauchte. Wie sie im Sessel sitzend ihre Hand gehoben hatte, halb zur Begrüßung, halb zur Abwehr. Nach gut zwei Stunden war das Werk fertig. Răzvan verabschiedete sich von ihr mit einer herzlichen Umarmung (er fühlte sich sehr kalt an). Und Vlădelina nannte ihr bislang bedeutsamstes Werk (wie sie fand) 'Begegnung mit einem Vampir'.

In der Galerie nebenan stellte sie ihr Werk aus und verkaufte Reproduktionen. Das Bild 'Begegnung mit einem Vampir' fand großes Interesse und viele Käufer. Immerhin, so erklärte Vlădelina, handele es sich um eine Originaldarstellung eines Original-Vampirs. Wie jeder wisse, kann man Vampire nicht photographieren, deshalb habe sie den Vampir gemalt. Eine Amerikanerin sagte zu ihr: "Look, my Dear, this girl in this picture looks very much like you, doesn't she?" Vlădelina lächelte und antwortete: "It seems so. Very strange!".

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Vampir
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Vampirfilmen_und_-serien
https://de.wikipedia.org/wiki/Tanz_der_Vampire_(Film)
Etwas über Werwölfe in:
http://p-domain.de/beobachtungen/morphing.html